Kaplan Ruiz berichtet von seinen Erfahrungen in und mit der Kirche in Deutschland und in Mexiko
Kaplan Ruiz erzählt der Internetredaktion (IR) von seinen Erfahrungen in und mit der Kirche in Deutschland und in Mexiko, von seinen Wünschen als Priester und auch von seinen Eindrücken, die er in Deutschland gewonnen hat.
IR: Kaplan Ruiz, nun nach Ihrer Priesterweihe im Juni und nach Ihrem Heimaturlaub beginnen Sie mit Ihrer konkreten Aufgabe als Kaplan in unserer Pfarrei. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Kaplan Ruiz: Ich möchte Menschen in ihrer Lebenssituation begegnen, mit ihnen im Gespräch sein und auch von ihnen lernen. Das konnte ich ja schon in meiner Zeit, in der ich als Seminarist und als Diakon hier in Lohmar tätig war. Der Dialog mit Menschen ist immer eine Herausforderung, weil Menschen ja ganz verschieden sind, unterschiedlich denken oder informiert sind. Das bedeutet für mich: Menschen, denen ich begegne, möchte ich ernst nehmen so wie sie sind. So fühle ich mich ihnen gegenüber verantwortlich.
IR: Im missionarischen Priesterseminar unseres Erzbistums „Redemptoris Mater“ in Bonn haben Sie sich mit anderen Seminaristen der neokatechumenalen Gemeinschaft aus der ganzen Welt auf Ihre Priesterweihe vorbereitet. Was bedeutet Ihnen diese Gemeinschaft?
Kaplan Ruiz: Ohne diese Gemeinschaft wäre ich nicht in Deutschland und auch nicht Priester geworden. Die erste Begegnung geht zurück in meine Jugendzeit, als ich dem Wunsch meiner Eltern nachgegeben habe, an der einen oder anderen Katechese teilzunehmen. Eigentlich wollte ich dann alles „abhaken“, weil ich als Siebzehnjähriger ganz andere Dinge im Kopf hatte. Nachdem ich bei einigen Treffen gewesen bin, war ich zunehmend überzeugt und konnte in den folgenden Katechesen einen Sinn für mich finden. So ist dann auch die Neugier gewachsen, mein Leben durch die Brille unseres Glaubens zu sehen. - Und nun bin ich hier als Priester.
IR: Und was bedeutet Ihnen persönlich die Zugehörigkeit zu dieser geistlichen Gemeinschaft?
Kaplan Ruiz: Für mich ist wichtig, das Wort Gottes für mein eigenes Leben lebendig erfahren zu können. Unsere regelmäßigen Treffen helfen mir dabei, im gemeinsamen Gebet, durch Gespräche, durch unsere Begegnung usw. etwas tiefer auf alltägliche Situationen zu blicken und an den Erfahrungen der anderen teilzunehmen. Das gibt mir Kraft für meinen eigenen Alltag.
IR: Eine Pfarrei kann ja keine Geistliche Gemeinschaft sein. Ein geistlicher Weg lässt sich ja auch nicht übertragen.
Kaplan Ruiz: Das Wort Gottes steht für mich im Mittelpunkt. Zum Beispiel durch unser Sprechen miteinander, durch unsere Begegnungen, durch unsere Zusammenarbeit, durch unsere Einstellungen können wir uns das Wort noch mehr erschließen und erfahren - auch durch Gebet und unsere Sakramente. So können wir im größeren Zusammenhang eines Seelsorgebereiches geistliche Gemeinschaft als Glaubende sein und das auch mit verschiedenen Formen unseres Glaubens leben und ausdrücken. In diesem Sinne können wir als geistliche Gemeinschaft auf dem Weg sein. Für mich ist das ein Zeichen von Vitalität des Gemeindelebens, durch die wir immer neue und konkrete Seiten unseres Glaubens entdecken können. Das kann uns mutig machen, auf die Herausforderungen im Alltag zu antworten. Bei meinen Brüdern und Schwestern in meiner Gemeinschaft sowohl in Mexiko als auch in Deutschland habe ich das so erfahren.
IR: Die kirchliche Situation in Mexiko ist ganz anders als hier. Nicht zur katholischen Kirche zu gehören oder nicht getauft zu sein, ist Ausnahme. Diese Erfahrung hat ja auch Ihre Sicht von Kirche geprägt. Wie können Sie diese Erfahrung mit unserer Situation hier in Deutschland verbinden?
Kaplan Ruiz: Ja, es stimmt: Hier ist alles ganz anders als in Mexiko. Vor einigen Jahren waren es noch weit über 90% der Menschen, die sich der katholischen Kirche zugehörig fühlten. Die staatliche Verknüpfung ist in Mexiko nicht gegeben, so dass man auch gar nicht vor dem Amtsgericht wie hier austreten kann. Es ist einfach normal, dass man dazu gehört, eine Volksfrömmigkeit, in der sich Menschen zu Hause fühlen. Bedeutungsvoll und Gemeinschaft stiftend ist die Jungfrau von Guadalupe. Die geschichtlichen Zusammenhänge, die eng mit der Kirche in Mexiko verbunden sind, kann ich an dieser Stelle gar nicht beschreiben.
IR: Was ist Ihnen denn am kirchlichen Leben in Deutschland wichtig geworden?
Kaplan Ruiz: Der Dialog mit anderen Religionen und Konfessionen - besonders mit der evangelischen Kirche - ist in meiner Heimat keine so große Herausforderung wie hier in Deutschland. In Mexiko zeichnet sich seit einigen Jahren aber ab, dass sich Menschen durch Sekten ansprechen lassen. Das macht uns als Kirche nachdenklich.
Das soziale Engagement von Menschen für Menschen ist mir besonders wichtig geworden. Gerade das Bemühen, Flüchtenden Gastfreundschaft zu zeigen, hat mich beeindruckt. Menschen „schauen über den Kirchturm“ ihrer eigenen Sicht. Auch hier in Lohmar werden Menschen nicht allein gelassen. Da fällt mir vor allem die „Tafel“ ein, zu der Menschen kommen, die sich durch uns ernst genommen fühlen - auch wenn sie gar nicht zur Kirche gehören. Sie bekommen Lebensmittel, um sich und ihre Familien ernähren zu können. - Ehrenamtliches Engagement in so vielen Bereichen unserer Pfarrei lässt mich deutlich erkennen, dass Menschen ihre Taufe konkret leben.
IR: Welchen Wunsch haben Sie an uns hier in Lohmar für dieses eine Jahr, in dem Sie bei uns sind?
Kaplan Ruiz: Ich wünsche mir für die Menschen in dieser Pfarrei, dass sie in der Kirche einen Ort finden, wo man zur Ruhe kommen kann. Da denke ich auch an unsere offenen Kirchen, in die man sich für einige Minuten am Tag zurückziehen kann. Aber für uns als Kirche, die ja auch Glaubensgemeinschaft ist, wünsche ich mir, dass wir auch Tröstung und Hilfe in schwierigen Situationen finden und in unserem Miteinander Ehrlichkeit und Frieden spüren können. Dabei möchte ich mittun.
„Papier ist geduldig“, so sagt man es in Deutschland. Das habe ich bei diesen wenigen Gedanken gemerkt. Ich lade Sie ein: Sprechen wir miteinander.
Information
Die „Offene Kirche Wahlscheid“ hat Kaplan Ruiz eingeladen, am 7. Oktober nach der Vorabendmesse in Wahlscheid von sich, seinem Heimatland und seiner Kirche in Mexiko etwas mehr zu erzählen.