Interview mit Pfarrer Francis

 

Pfarrer Francis, seit Mitte August 2023 sind Sie nun schon bei uns in Lohmar. Sie haben inzwischen etwas von unserem Leben hier mitbekommen und verschie­dene Gemeindemitglieder und ehrenamtlich Engagierte kennengelernt. 

Frage: Was hat Sie bisher beeindruckt?

Antwort: Eigentlich bin ich sogar schon seit dem 1. August in Lohmar. Mein allererster Eindruck war die Freundlichkeit der Menschen. Das hat mir das Einleben erleichtert. Heute kann ich sagen, dass ich hier gut angekommen bin. Was mich beeindruckt, ist das starke ehrenamtliche Engagement in verschiedenen Bereichen der Gemeinde. Ich glaube, die Kirche hier vor Ort lebt wesentlich von diesem ehrenamtlichen Engagement, vor allen von den Frauen. 

 

In den letzten Jahren waren Sie in Chorweiler tätig, ein Ortsteil im Kölner Norden mit einem hohen Ausländeranteil, der in den 80er Jahren durch seine Wohnungsbaupolitik in die Schlagzeilen geraten ist. Hier sind Sie in einem doch mehr ländlichen Bereich. 

Frage: Welche Erfahrungen bringen Sie mit, mit denen Sie uns neue Perspektiven oder einen neuen (Glaubens-)Blick auf unseren Alltag möglich machen können? 

Antwort: Ich habe mich sehr gefreut, dass ich zwei Jahre in den Pfarrgemeinden in Worringen, Chorweiler und im Kölner Norden pastoral tätig sein durfte. In Chorweiler wohnen Menschen aus über 100 Ländern. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und mit ihren verschieden Sprachen wohnen eng zusammen. In Lohmar ist das ganz anders: mehr ländliches Leben mit kleineren Gemeinden und Kirchen. Und in diesem LebensUmfeld sind die Fragen und Erwartungen und auch die kirchlichen Akzente anders. Da bekomme ich durch meine Kontakte ständige neue Impulse. 

Davor war ich 15 Jahre in Bad Godesberg tätig. Dort war ich mit ganz anderen Gemeindestrukturen und anderem kirchlichen Leben, anders als ich sie in Lohmar oder im Kölner Norden erlebe. Das sind meine ersten Erfahrungen. 

Drei Kirchorte hier in Deutschland mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen von Kirche und Gemeindeleben. So sind mir viele Einblicke und vielfältige Erfahrungen geschenkt. Mein Bild von Kirche, das ich zuerst in Indien im Studium kennengelernt und dann in der Gemeindearbeit vor Ort erprobt habe, hat sich durch diese Erfahrungen in der deutschen Kirche erweitert. 

Inklusion und Willkommenskultur waren sehr wichtige Herausforderungen im Kölner Norden. Auch wenn hier der Anteil ausländischen MitbürgerInnen (noch) nicht so hoch ist, sind beide Aspekte auch für uns hier in Lohmar wichtig. Menschen in der Kirche willkommen zu heißen und sie ins Gemeindeleben einzuladen und zu integrieren, ist ein urchristlicher Auftrag. Eigentlich ein Erfolgsgeheimnis für jede lebendige Kirche?! 

Als Mensch, der in Indien groß geworden und von indischer Kultur geprägt ist, sind Aspekte wie interkulturelle und interreligiöse Begegnung wesentlich. Schon in Godesberg habe viele Jahre lang interreligiöse Begegnungsreisen nach Indien durchgeführt und mich um Kontakte zu Menschen anderer Kulturen, Konfessionen und Religionen bemüht. Ich bin überzeugt, dass eine katholische Kirche (katholisch im Sinne von weltweit-allumfassend) immer von Offenheit geprägt sein muss. Als Bet-, Lern- und Solidargemeinschaft können wir unseren Blick und unsere Kontakte immer über den eigenen Horizont hinaus öffnen und uns über Neues freuen. So kann auch meine indische Spiritualität das kirchliche und religiöse Leben in Lohmar bereichern. Das wünsche ich mir. 

 

In unserer Kirche sieht es nicht gerade „rosig“ aus. Menschen treten aus, andere resignieren einfach nur, Gottesdienste werden kaum wahrgenommen - unsere Kirchen sind leerer geworden. Es gibt vielfältige Gründe. 

Frage: Welche Hauptprobleme oder Ursachen sehen Sie? Wie lassen sich diese aus Ihrer Sicht auffangen und vielleicht korrigieren? Wie sehen Ihre Ideen aus?

Antwort: Ja, die augenblickliche Situation schmerzt mich sehr. Es gibt verschiedene Gründe, warum die Menschen aus der Kirche austreten. Meine Gedanken kreisen schon lange um die Frage, wie wir – als Pastoralteam und als ChristInnen - eine „lebendige Gemeinde“ möglich machen können. Sie stand auch im Zentrum meiner Pfarrexamensarbeit. Es stimmt mich auch heute traurig: Für viele Menschen bietet die Kirche keine Heimat mehr. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Christsein sich (nur) in der lebendigen Begegnung mit anderen Menschen voll entfalten kann und dass Kirche ein Ort sein muss, an dem wir Menschen unseren Glauben und unser Leben miteinander teilen. Deshalb möchte ich unser Gemeindeleben und unsere Gemeinschaft auch in diesem Sinne gestalten. Dazu gehört auch die Stärkung und Pflege des Ehrenamtes.

 

Die Älteren von uns erinnern sich, dass mit dem Konzil ein Aufbruch erwartet wurde. Aber Reformbemühungen brachten nur schleppend Veränderung oder sie wurden stark ausgebremst. 

Frage: Wie soll unsere Kirche sein, wovon träumen Sie? Was möchten Sie tun, um Ihre Träume hier vor Ort wirklich werden zu lassen?

Antwort: Träume und Visionen gehören dazu. Ich träume davon, dass unsere Kirche ein Ort ist, wo wir Menschen Gemeinschaft erleben, wo wir aus unserem Glauben heraus bewusst leben und uns am Leben der anderen beteiligen. Darum möchte ich gerne mit der Gemeinde unterwegs sein hin zu gelebter Nächstenliebe, zu einem Ort, wo wir unsere Freuden und Hoffnungen und unsere Sorgen und Nöte miteinander teilen (ich denke auch an diejenigen, die noch nicht/nicht mehr in unserer Kirche zuhause sind). Ich habe dazu auch konkrete Projekte für unsere Gemeinde unter dem Leitwort „Bewegen - Begegnen - Besinnen“ im Kopf. Es soll pastoral/ökumenisch gestaltet sein. Näheres dazu wird bald beschrieben und für alle zugänglich sein. Ich freue mich schon auf Rückmeldungen zu dieser Idee.

 

Wir sind in unseren Gemeinden Teil der großen Kirche. 

Frage: Was wünschen Sie sich von uns hier in Lohmar? Wie können wir gemeinsam verantwortlich handeln und uns als Gemeinschaft der Glaubenden Kraft für unseren Alltag geben?

Antwort: Kirche wird dort zur Kirche, wo sie sich für Erfahrungen, Fragen, Nöte und Fähigkeiten von Menschen öffnet. Das geschieht ja auch z. B.: in unseren Gottesdiensten und in den Sakramenten, in Verkündigung und Katechese, bei zahlreichen Aktivitäten, durch die caritative Zuwendung zu den Menschen und in Begegnung und Gemeinschaft, in unserer Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Strukturen der Ortskirchengemeinde. Dort erfüllt doch Kirche ihren biblischen Auftrag, weil sie Menschen in den Übergängen, Höhepunkten und Tiefen ihres Lebens mit Gottes Kraft zur Seite steht. Dietrich Bonhoeffer beschrieb diesen Auftrag der Kirche so: "Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist."

Vor Jahren habe ich die Vision von einer lebendigen Kirche gehabt, die ihren Mittelpunkt in Jesus Christus hat. Mit dem Bild eines Rades (Foto: Francis Kaviyi) sah ich eine Zusammenarbeit mit der Gemeinde. 

Diese Vision begleitet mich bis heute: Die Speichen symbolisieren jeden Einzelnen in unserer Gemeinschaft - die Nabe ist Jesus Christus. Aus dieser Mitte leben wir. Sie hält alles zusammen. 

Wenn wir uns Christus, der Mitte unserer menschlichen und geistlichen Gemeinschaft, wirklich und ganz nähern, kommen wir auch einander näher. So können wir miteinander und füreinander leben. 

In der Nabe steckt ein Dynamo: Wenn  wir uns zusammen bewegen, strahlt das Licht nach außen. So wünsche ich mir und uns, dass es uns mehr und mehr gelingt: Menschen gewinnen - Kontakt zu Menschen suchen - mit anderen zusammen in Bewegung sein - uns gegenseitig in Bewegung bringen.

Das gesamte Interview können Sie auch als PDF-Datei >>herunterladen (pdf).

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Und nun zum Abschluss meiner Gedanken möchte ich Sie einladen:

Kommen Sie zu einem Indischen Abend 

-  4. Oktober 2024 -

Ich möchte, dass Sie etwas mehr aus meiner Heimat erfahren. 

Meine Ideen verrate ich aber jetzt noch nicht.